1. Problemaufriss
Hans Peter Nolting (beschreibt in seinem Buch "Störungen in der Schulklasse", dass Klassenführung zu den schwierigsten Aufgaben eines Lehrers gehört. Die vielfach erhobene Forderung, den Unterricht nur interessant zu gestalten, dann würde es keine Unterrichtsstörungen mehr geben, widerspricht er mit folgenden Argumenten:- Unterricht erweckt nicht immer Interesse bei den Schülern.
- Mancher Lehrstoff ist notwendig, aber nicht interessant.
- Das Denken der Schüler wird von Dingen in Anspruch genommen, welche sie im Augenblick stärker beschäftigt (belastet).
- Bevor Schüler ein Interesse entwickeln, steht die manchmal mühsame Auseinandersetzung und Beschäftigung mit dem Thema.
Trotz dieser schwierigen Ausgangsvoraussetzungen kann jedoch jeder Lehrer präventiv in seiner Klasse wirken.
Zum Überprüfen:
Schauen Sie auf der Seite Kennzeichen des guten Unterrichts noch einmal nach, welche Voraussetzungen der erfolgreiche Lehrer in seinem Unterricht berücksichtigt. Welche Punkte der unten
aufgeführten Liste
nehmen in der Scholastik-Studie einen unteren Rang ein? |
Die Untersuchung (von Kounin, u.a.) bei "guten" Lehrern zeigten nach Nolting die Zusammenhänge:
- Die Lehrkräfte führen Regeln ein, fordern deren Einhaltung ein und halten sich selbst an sie.
- Bei auftretenden Störungen reagieren sie frühzeitig, besprechen die Probleme und sanktionieren Regelverstösse konsequent.
- Die Unterrichtsgestaltung ist interessant und lebensnah, strukturiert und methodisch vielseitig gestaltet, schüleraktivierend ....
- Durch seine Einstellung und sein Vorbild versteht es die Lehrkraft ein gutes Arbeitsklima ( sozio-emotionales Klima) zu schaffen.
- Die Lehrkraft ist ein Vorbild.
Im Gegensatz zur "Theorie des geborenen Erziehers" sind die Verhaltensweisen und Einstellungen von der Lehrkraft durch Übung und Training erwerbbar. Zu diesen typischen Techniken und Skills des Gruppenmanagements gehören nach einer Videostudie (lt. Nolting) in 49 Grundschulklassen:
- Präsenz und Wahrnehmungsfähigkeit: Die Lehrkraft ist im Klassenzimmer "voll da" (withitness) und es gelingt ihr mehrere Sinneskanäle gleichzeitig zu aktivieren (overlapping). Dies ermöglicht ihr eine Aktion in der "Planungsphase einer Störung" zu erkennen und dann vorbeugend zu handeln d.h. "Sie erkennt an Anzeichen, dass Fritz in wenigen Minuten etwas vor hat."
- Flüssigkeit der Übergänge
und Schwung: verschiedene Unterrichtssequenzen
bzw. Aktivitäten gehen flüssig ineinander über;
wird ein Verhalten getadelt, geschieht es kurz und knapp. Gardinenpredigten
sind überflüssig.
Manche Dinge können auch nach der Unterrichtszeit geregelt werden, unbeteiligten Schüler können dann währen der Stunde auch lernen. - Gruppenmanagement: Die Lehrkraft hat die ganze Gruppe - nicht bloß einzelne Schüler - im Blick. Während des Unterrichts nimmt sie z.B auch verschiedne Plätze ein.
- Humor und Lebensfreude: Dies Motto erklärt sich wohl von selbst. Positive (und dabei angebrachte/ realistische) Kommentare und Ermutigungen verbreiten eine gute Atmosphäre.
Wenn diese professionellen Voraussetzungen im Klassenzimmer gegeben sind, ist zu überlegen, welches Verhalten gefördert bzw. welches auch sanktioniert werden muss.
Nach Wolfgang Brezinka (1982) greift der Begriff Erziehungsmittel jedoch weiter: Er versteht unter Erziehungmittel alle Mittel (Methoden, Techniken) die es gestatten, die Erziehungsziele (Ziele des Unterrichts) zu erreichen. In diesem Sinne entscheidet ein Pädagoge für sich welche Mittel er für welchen Zweck einsetzen möchte.
2. Regeln und Rituale
Regeln gelten für alle am Schullebenden teilnehmenden Personen. Sie drücken gerechte Aufforderungen an alle aus, werden sie nicht befolgt, erfolgt eine Sanktion. Zur Einführung von Regel am Anfang des Schuljahres/ zur Klassenübernahme hat es sich bewährt, wenn:
- Schüler bei der Formulierung der Regeln mitwirken.
- die Regeln altersgerecht formuliert sind.
- die Regeln im Klassenzimmer ausgehängen. ( Kollegen/innen können sich dann auch an die Regeln halten können.)
- die Regeln positiv formuliert werden. Z.B. "Bei Gruppengesprächen unterhalten wir uns im Flüsterton " - ungeschickt: "Wir schreien nicht im Klassenzimmer".
- sie wenige, überschaubare Regeln formulieren. Weniger ist mehr als viele, unübersichtliche Regeln.
- sie Regelverstösse sofort ahnden.
Wichtige Regeln zur Schaffung
einer guten Arbeitsatmoshäre:
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Vorsicht !
Betrachten Sie "wir- Formulierungen" außerordentlich kritisch. Beispiel "Wir werfen im Pausenhof keine Schneebälle". Diese Wir- Formulierungen täuschen häufig eine Gemeinschaftsverantwortung, ein Einverständnis vor, obwohl ein Gebot oder Verbot der eigentliche Inhalt dieser "Regel" ist.
Es ist ehrlicher und wird von den Schülern oft auch mehr geschätzt wenn, wenn Gebote auch deutlich als solche zum Ausdruck gebracht werden. Ein Lehrer hat das Recht von einem Schüler etwas Sinnvolles zu verlangen und es dann auch dierekt zum Ausdruck zu bringen:
- "Ich verlange ....,
- ich erwarte ...
- x wird gemacht!.
Rituale
sind in Abgrenzung zu Regeln eher tradionsbestimmte, konventionelle Verhaltensweisen, die zu bestimmten Anlässen in einer sich immer wiederholenden Form durchgeführt werden. Oft wird mit der Hilfe von Ritualen bewusst oder unbewusst der Unterricht strukturiert und gesteuert.Vorteile von Ritualen | Kritik an der Verwendung von Ritualen |
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Weil Vor- und Nachteile eng beieinander liegen empfiehlt es sich, bei der Einführung von Ritualen sich darüber gründlich Gedanken zu machen. Stellen Sie sich dazu folgende Fragen:
- Bin ich vom Sinn und Zweck des Rituals überzeugt?
- Ist das Ritual ausgewogen und an die Bedürfnisse des einzelnen und an die Bedürfnisse der Gruppe angepasst?
- Wie kann ich ein Ritual mit den Schüler zusammen entwickeln bzw. einführen?
- Was mache ich, wenn sich das Ritual überlebt hat? (Die Schüler wurden inzwischen älter, ...)
- Was mache ich, wenn Rituale einen Entwicklungsprozess/ den Unterrichtsprozess behindern / einschränken?
- Wie gehe ich mit Widerstand bei der Einhaltung von Ritualen vor?
3. Lob und Tadel / Strafe
Lob und Tadel/Strafe sind als traditionelle Erziehungsmittel meist so verinnerlicht, dass wir sie gar nicht mehr hinterfragen. Häufig benötigen wir von außen eine positive oder negative Bestätigung, "ob wir es richtig gemacht haben?" Reinhold Miller unterscheidet deshalb strikt zwischen:
- Erziehungsinstrumenten, von denen andere abhängig
werden können.
Der Schüler erledigt seine Aufgaben, damit er von mir gelobt bzw. nicht getadelt wird. Die intrinsische Motivation ( - er macht es wegen der Sache - und erfährt dann die Selbstbelohnung /"flow", wenn ihm eine Aufgabe gelungen ist) wird durch Lob und Tadel eingeschränkt. - Mitteilungen, die die Beziehung beschreiben.
Schauen wir uns Millers Beispiele jedoch einmal etwas genauer an:
Statt: | besser: |
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Die Umformulierung in die "Ich-Botschaft" allein
bewirkt sicher keine große Wirkung. Die differenzierte Beschreibung
der Leistung in ihrer kommunikativen Funktion beim ersten Beispiel,
könnte jedoch hilfreich sein. Im zweiten Beispiel wird die Kausalattribuierung,
"weil du böse,..." bist, wird durch eine klare direkte Aufforderung,
einen Wunsch, ... ersetzt.
Selbstverständlich können diese Aussagen auch von den
Schülern als Lob oder Tadel aufgefasst werden, doch ist die Kommunikationsform
deutlicher und bezieht sich auf (von allen) beobachtbares Verhalten. Apelle
an die unbewusste Seite der Botschaft - an Kindererfahrungen - werden
minimiert.
Zum Überlegen! 1. In welchen Situationen neigen sie dazu Lob bzw. Tadel für unbedingt erforderlich zu halten? 2. Formulieren Sie ihr "Standardlob" in eine "Ich-Botschaft" um und spezifizieren sie dabei den Eindruck, ... den die Leistung auf sie macht. |
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