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Tätigkeiten der Lehrkraft und Tätigkeiten der Schüler kennzeichnen den Unterricht. In wie weit die Lehrkraft "allein" den Unterricht steuert und die Schüler eher in einer passiven, rezeptiven Position verharren, soll uns in diesem Kapitel beschäftigen. Was macht guten Unterricht aus? mit dieser Frage werden sie vermutlich die ganze Ausbildung von Seiten der Ausbilder aber auch von Seiten der Kollegen und Eltern konfrontiert.
1."Guter Unterricht" - "Schlechter Unterricht"
Weil wir alle Erfahrungen mit "gutem" und "schlechtem" Unterricht gemacht haben, besitzen wir ein Vorverständnis, das sich häufig unbefragt auf diese Erfahrungen beziehen. Es wird dann vergessen, dass der Unterricht dieses speziellen Lehrers als gut empfunden wurde, weil wir ihn mochten oder ...Die Mitschüler, meinten aber für uns unverständlicherweise, dass dieser Lehrer überhaupt "nichts rüber brachte"oder ...
(Vergleiche --> Entstehung von Alltagstheorien)
Auch die allgemeine pädagogische Diskussion schwankt seit gut 100 Jahren zwischen der Suche nach allgemeinen Gesetzmäßigkeiten ( "master the teaching model") und der Hoffnung auf charismatische Lehrerpersönlichkeiten ("teaching the master model") hin und her.
Eine Stärke empirischer Untersuchungen ist, dass von der Einzelerfahrung
abstrahiert wird und nach allgemeingültigen Faktoren "Guten Unterrichts" bzw. "Guter
Lehrer/innen" gesucht wird.
Dabei geht aber bei den Untersuchungen durch die Bildung von Kategorien immer
Information, das Typische einer speziellen Lehrer- Klasse - Interaktion,
zu Gunsten einer Mittelwertbildung verloren.
Um abzuwägen, ob die an einen Unterricht angelegten Kriterien und Anforderungen eher philosophischer/ moralischer Natur ("So soll Unterricht sein. Der Unterricht entspricht der Natur des Menschen ...") oder aber pragmatischer sind ("Bei dem Unterricht kommt etwas heraus ..."), empfiehlt es sich immer, die in den Maßstäben und Untersuchungsdesigns angelegten und als selbstverständlich dargestellten Prämissen zu prüfen.
Die Darstellung auf dieser Seite beschränkt sich auf die exemplarische
Darstellung einer großen empirischen Studie an der Grundschule: der
Scholastik Studie.
Die darauf folgenden Autoren bieten eine gute Übersicht über den Stand der Diskussion, was guter Unterricht sein sollte:.
a. Hilbert Meyer - Was ist guter Unterricht?
b. Reinhold Miller - 99 Schritte zum professionellen Lehrer
c. Karl-Oswald Bauer - Pädagogische Professionalität
d. Ewald Terhart - Lehr -Lern - Methoden
2. Eine empirische Untersuchung - die Scholastik-Studie
Um die Qualität von Unterricht empirisch zu vergleichen, wird häufig der Unterricht von "guten" und "schlechten" Lehrern miteinander verglichen. Als Maßstab dient das Mittel der Zielerreichung, also ein Leistungskriterium.
Beim Scholastik- Projekt wurden mehr als 1200 Schüler in 54 Klassen während der gesamten Grundschulzeit (Längsschnittuntersuchung) untersucht. Motivationale Tendenzen, kognitive Kompetenzen und schulische Lernbedingungen wurden durch verschiedene Fragebogen mit berücksichtigt.
Mehr zur Scholastik - Studie (Schulorganisierte Lernangebote und Sozialisation von Talenten, Interessen und Kompetenzen) bei Hinweisen - hier
In einem Vergleich von 18 Scholastik- Klassen, bei denen statistisch Intelligenz- und Leistungsunterschiede "bereinigt" wurden, ergaben sich zu den Leistungen im Mathematikunterricht (in der Zeit von Ende 2 bis Anfang Klasse 4) folgende Korrelationen:
Unterrichtsprofile von Klassen mit niedrigem (rot markiert) versus hohem Leistungszuwachs (Blau markiert; umgezeichnet n. Weinert & Helmke 1997, S.472). Die mittlere senkrechte Linie bedeutet keine Korrelation, die anderen Einheiten sind Abstände von jeweils 0,1 Punkten.( Die Korrelationen umfassen demnach 0 bis +/- 0,5)
Durch rechnerische Verfahren werden verschiedene Merkmale auf einen Zusammenhang hin untersucht. Der errechnete Korrelationskoeffizient gibt an, wie groß der Zusammenhang ist. 0 bedeutet, es gibt keinen Zusammenhang, +/- 1 es bestehen positive bzw. negative Zusammenhänge. Bei Merkmal "Unterrichtsengagement" ist der Zusammenhang
mit der Leistung rechnerisch 0,5. |
1. Das Engagement (allgemeine positive Beteiligung in
beobachtbaren Schulraum) der Klasse korrelierte bei den "guten" (blau)
Klassen am stärksten mit einem hohen Leistungszuwachs.
2. Diese Klassen haben ein effizientes Regelsystem.
3. Während Stillarbeitsphasen arbeiten diese Klassen
produktiv und
4. sie nutzen die angebotene Zeit effektiv (wenig Verwaltungstätigkeit
während der Unterrichtszeit,...).
5. Der Unterricht ist strukturiert und
6. die Aufgaben sind an das Leistungsvermögen der Schüler angepasst (Differenzierung).
7. Überraschenderweise ist eine Auswirkung des affektive Klimas auf
den Unterrichtserfolg eher als negativ einzuschätzen.
8. Ganz klar ist auch, dass die "guten Klassen" bei ihren Tätigkeiten
stärker aufgabenorientiert sind (on-task/off-task),
9. weniger stören (aktive Unaufmerksamkeit) bzw.
10. weniger träumen (passive Unaufmerksamkeit)
Zwischen den guten Klassen lassen sich aber bei einer Feinanalyse "bizarre
Merkmalsprofile erkennen". Weinert & Helmke folgern daraus,
dass sich nur für Instruktionsklarheit "... und
vielleicht noch bei Klassenführung und Motivierungsqualität ...
erwartete Trends zeigen."
"Erfolgreicher Unterricht kann auf
eine sehr verschiedene, aber nicht beliebige Weise realisiert werden"
a.a.O.; S. 472 |
Literaturhinweis
Franz E. Weinert/ Andreas Helmke (Hrsg.;1997). Entwicklung
im Grundschulalter. Beltz/PVU
3. Guter Unterricht in der Diskussion
a. Hilbert Meyer - Was ist guter Unterricht?
H. Meyer stellt im Vorwort seines Buches: "Was ist guter Unterricht?" fest, dass auf Grund der Ergebnisse der empirischen Forschung viele liebgewonnenen Standpunkte in der Pädagogik fragwürdig geworden sind. Deshalb ist es notwendig immer wieder den eigenen Standpunkt an den Forschungsergebnissen zu überprüfen.
Genügend gestützt bzw. nicht gestützt werden folgende Merkmale des Unterrichts:
- "klare Strukturierung, Quantität des Unterrichts, Reibungslosigkeit der Lehrerintervention, klare Leistungserwartungen, ... " korrelieren positiv.
- Klassengröße, Unterrichtsmaterial, Zustand der Gebäude und affektives Klima korrelieren gering bis negativ.
- Positive Effekte von handlungsorientiertem Unterricht, Freiarbeit und Offenem Unterricht sind nicht eindeutig erfasst bzw. es liegen widersprüchliche Ergebnisse vor.
- Große Schülerbeteiligung führt nicht automatisch zu
besseren Leistungen.
"Eine klare Lehrersprache, gute Strukturierung und geschickte Steuerung des Lerntempos müssen hinzukommen." (a.a.O. S. 8)
" Die Über- oder Unterlegenheit bestimmter Unterrichtskonzepte lässt sich zur Zeit empirisch nicht nachweisen. Deshalb halte ich es für sinnvoller, den Streit um das "richtige Konzept" ein Stück weit zurücktreten zu lassen und stattdessen zu fragen, wie sowohl der herkömmliche, eher lehrerzentrierte, als auch der eher offene oder schülerzentrierte Unterricht verbessert werden können." ( H. Meyer, a.a.O.; S. 8) |
Nach dem "master the teaching model" werden von H. Meyer folgende Kriterien für guten Unterricht gekennzeichnet. Achten sie aber darauf, dass diese Kriterien als "Fäden in einem Gewebe" zu bewerten sind.
1. Klare Strukturierung des Unterrichts bezogen auf:
a. Inhalt
b. Prozess
c. Handlung
d. Soziales Verhalten
e. Nutzung des Raumes
f. Zielsetzung
2. Hoher Nutzung der Lernzeit (Schüler sind "on task")
3. Lernförderliches Klima bezogen auf:
a. gegenseitigen Respekt
b. verlässliches Regelsystem
c. gemeinsame Verantwortung
d. Gerechtigkeit der Lehrkraft
e. gegenseitige Fürsorge
4. Inhaltliche Klarheit:
a. klare Aufgabenstellung
b. Plausibilität des thematischen Ganges
c. Klarheit und Verbindlichkeit der Ergebnissicherung
5. Sinnstiftende Kommunikation
6. Methodenvielfalt
7. Individuelles Fördern
8. Intelligentes Üben
9. Transparente Leistungserwartung
10. Vorbereitete Umgebung
Literaturhinweis:
Hilbert Meyer (2004): Was ist guter Unterricht? Cornelsen
Verlag
b. Reinhold Miller - 99 Schritte zum professionellen Lehrer
R. Miller führt in seiner Darstellung die 10 Merkmale nach Meyer auf und betont dann die Wichtigkeit von Fremd- und Selbstwahrnehmung.
Ein Unterricht, der die Schüler zum
selbstständigen Lernen anregt und es fördert, ist guter
Unterricht. |
Literaturhinweis:
Reinhold Miller (2004): 99 Schritte zum professionellen Lehrer. Kallmeyer
nach obenc. Karl-Oswald Bauer - Pädagogische Professionalität
Betrachten wir jetzt einmal die Darstellung von Bauer, Kopka &. Brindt einmal aus der Perspektive des "teaching the master models".
Erfolgreiche Lehrer
- helfen den Lernenden, schwach strukturierte Probleme zu bearbeiten. (Viele Aufgaben zeichnen sich in einer neuen Lernkultur dadurch aus, dass sie erst entziffert werden müssen. Ein gutes Beispiel dafür sind die PISA-Aufgaben).
- helfen den Lernenden den eigenen Lernprozess zu moderieren und zu organisieren. (Stichwort: "Das Lernen lernen")
- helfen den Lernenden in sozialen Situationen spezifisch zu lernen.
- stellen Aufgaben, die komplexe Fähigkeiten vermitteln.
Dazu benötigen sie bereits vor der Berufsausübung Wissen (von):
- allgemeines pädagogische Wissen, classroom management, Organisation
- Curriculumwissen
- Fachwissen in den Fachgebieten
- Typen der Lernenden
- über den Raum, in dem Schule steht: Teamarbeit an der Schule, Sozialformen, kommunale Kulturen, Finanzen,...
- pädagogischen Zielen und Werten, historische und politische Hintergründe.
(Bauer &.a.; S. 22 f)
"Gute" Lehrer eignen sich neben Wissen fortwährend Fähigkeiten
und skills (i. Sinne von unterrichtlichen Techniken) an und steigern damit
im Laufe ihres Berufslebens ihre Handlungskompetenzen in allen 5 Dimensionen.
Eine Orientierung an Standards und die regelmäßige Evaluation
sind Voraussetzung dieser Entwicklung.
"Gute" Lehrer sind kritisch gegenüber den
eigenen Handlungen und Haltungen, orientieren sich an Standards
und nehmen die Hilfe "kritischer Freunde" in Anspruch.
|
Literaturhinweis:
Karl-Oswald Bauer (1997): Professionelles Handeln in pädagogischen Feldern. Juventa
Karl-Oswald Bauer, Andreas Kopka, Stefan Brindt (1999, 2. Auflage): Pädagogische Professionalität und Lehrerarbeit. Juventa
d. Ewald Terhart - Lehr -Lern - Methoden
Terhart greift in seinem Buch auf eine Untersuchungen von Weinert & Helmke (1987) zurück, in der der Zusammenhang von Unterrichtsprozess und Leistungen in Mathematik in Hauptschulklassen (5., 6. ) Klassen untersucht wird. 6 Klassen werden in dieser Studie identifiziert, in der "gute" Lehrer Leistungsteigerung und eine Verringerung der Leistungsstreuung erzielten.
Nach Terhart zeichnen sich "gute" Lehrer durch folgende Merkmale aus:
- "Die Klassenführung ist sehr effizient, d. h. Der Lehrer hat die Klasse insgesamt 'im Griff '. Ein abgesprochenes System von Regeln reduziert Disziplinkonflikte, Leerlauf und Störungen.
- Lehrer in Optimalklassen nutzen die Unterrichtszeit intensiv für die Behandlung des Unterrichtsstoffes, der Inhalte. "Es wird wenig Zeit mit außerfachlichen Aktivitäten verbracht, seien es prozedurale Angelegenheiten (wie Geld einsammeln) oder Unterrichtsphasen mit sozial-kommunikativem Charakter" (Weinert & Helmke, 1987).
- Klarheit und Verständlichkeit der Lehreräußerungen sind weitere Kennzeichen des Unterrichts in Optimalklassen.
- Lehrer in Optimalklassen verstehen es, ihren Unterricht an die Schülervoraussetzungen anzupassen: häufige Bildung von Kleingruppen als Maßnahme innerer Differenzierung, Variation der Schwierigkeit von Anforderungen, Anpassungen des Anforderungsniveaus an die unterschiedlichen Fähigkeiten der Schüler, starke Förderorientierung, d.h. verstärkte Hinwendung zu leistungsschwachen Schüler.
- Lehrer in Optimalklassen nutzen zwar die zur verfügung stehende Zeit sehr effektiv, d.h. sie arbeiten zeitökonomisch, lassen aber zugleich ihren Schülern ausreichend viel Zeit bei der Suche nach Lösungen.
- Lehrer in Optimalklassen verfügen über eine diagnostische Sensibilität hinsichtlich der affektiven Lernvoraussetzungen der Schüler".
)
Die gefundenen Merkmale werden in einer breiter angelegten Nachfolgestudie an Grundschulen bestätigt.
Methoden sind..."gerade eben nicht
ziel- und inhaltsneutral, sondern fördern oder erschweren als
Bedingungen für Lernen eben bestimmte Arten oder Qualitäten
des Lernens...
Die Frage welche Lernqualität(en) in den Schulen anzustreben sind hängt wiederum von übergreifenden bildungspolitischen bzw. pädagogisch - didaktischen Vorstellungen ab, über die mittels empirischer Lernforschung natürlich nichts zu unterscheiden ist. ... Die beste Lehrmethode, den effektiven Unterricht gibt es nicht! Wohl aber sind bestimmte Lehrmethoden für die Erreichung bestimmter Unterrichtsziele und Lernqualitäten vorteilhafter als andere." a.a.O.; S. 89 |
Literaturhinweis:
Ewald Terhart (1997, 2. Auflage): Lehr - Lern - Methoden. Eine Einführung in Probleme der methodischen Organisation von Lehren und Lernen. Juventa
4. Übersicht
Literatur