1. Essay
Es ist kurz vor 7.40 Uhr. Auf meinem Stundenplan steht: Klasse
9 - Physikunterricht. "Ausgerechnet die," denke ich: "Die
haben doch überhaupt kein Interesse an meinem Unterricht." Mir
steht der Schweiss auf der Stirn und ich überlege mir ernsthaft, warum
ich mir heute nicht die Grippe genommen habe.
Nach rund 20-jährigem Schuldienst fühle ich mich total ausgebrannt.
"Schon wieder die desinteressierte Bande. Mals sehen, was sie heute
wieder aubaldowert haben. Der Franz möchte mich doch sicher wieder rein
legen."
Während mir alle diese Gedanken durch den Kopf schießen, stehe
ich auch schon vor der Tür, atme noch einmal tief durch, bevor ich sie
energisch öffne. Mit der Bemerkung. "Natürlich Du wieder.
Schikanisiert gleich am frühen Morgen deine Mitschüler!" manövriere
ich mich sofort in eine Sackgasse. Alle Verhaltensweisen von mir sind eine
Spur zu
übertrieben und die Zurechtweisung des Schülers führt natürlich
zu einer Auseinandersetzung: "Immer haben sie es mit mir. X Y Z hat
aber ..."
Bevor die ganze Sache eskaliert ein Machtwort, eine Drohung, damit der Unterricht
endlich anfangen kann.
Die Klasse schweigt. So oder so ähnlich haben Sie es vielleicht auch
schon erlebt. Arbeitsmüdigkeit und Unlust stellen sich als Folge nicht
nur beim Lehrer, sondern auch bei den Schülern ein.
Wie kommt es, dass einige der "schrägsten Vögel" im
Berufsleben auf einmal ihren Mann bzw. ihre Frau stellen? Warum arbeiten
sie aber nur nicht bei mir?
Dass diese Erfahrungen nicht nur individuelle sind, zeigen auch die Klassentreffen
ehemaliger Schüler. Erfolgreiche Geschäftsleute, sogar Studierte
entsprangen einer "Chaotenklasse".
Wenn wir diese Fallgeschichte betrachten, so zeigt sich, dass unter Umständen die Annahmen, die ich über meine Schüler machte, nicht besonders hilfreich waren. Wäre ich statt dessen von folgenden Annahmen der systemischen Pädagogik (u.a. NLP) ausgegangen:
- Jeder Mensch besitzt die Fähigkeiten, um seine Schwierigkeiten selbst zu lösen.
- In Stresssituationen verfügen die Menschen nicht mehr über alle Ressourcen.
- Fehlverhalten sind Verhalten, deren ursprünglich vernünftiger Zweck, nicht mehr dem Kontext entspricht.
wäre ich mit ihnen besser gefahren. Diese Annahmen entlasten mich als Lehrkraft. Wenn ich sie als Arbeitsgrundlage verwende nehme, ist es meine Aufgabe, einen Lernkontext zu schaffen, der den Schülern erlaubt, neue Verhaltensweisen zu entdecken, neue Fähigkeiten in sich zu entdecken und sie auszubilden.
Das ist alter Wein in neuen Schläuchen, sagen Sie,dann bitte ich sie, mir noch ein bisschen weiter zu folgen.
In der Hochschule lernten wir vielleicht, dass Kommunikation nach Watzlawik ein zirkulärer, rekursiver Prozess ist. Es ist die subjektive Betrachtungsweise eines Beobachters, der das Verhalten A als Ursache für die Verhaltensweise B ansieht. Ein anderer würde die gleiche Sequenz gerade umgekehrt beschreiben ("Ich habe reagiert auf").
Diese verschiedene Interpunktion der Handlungen führt zu einer fortlaufenden gegenseitigen Rechtfertigung, die gewöhnlich durch einen - meist unangebrachten - Machtanspruch oder durch Weglaufen (körperlich - oder durch beleidigtes Schweigen scheinbar "abgebrochen" / "gelöst" wird.
Wie lässt sich dieser Zirkel aufschneiden, da ich jedoch gerade jetzt, im Konfliktfall handeln muss?
Bei einer genauen Analyse des Vorfalls wäre mir vielleicht
bereits im Vorfeld aufgefallen, dass ich Magendrücken, "Fracksausen",
Schreckenszenarien vor dem geistigen Auge, mich bereits Herumbrüllen
hörte, ...." , wenn ich nur an die Klasse dachte.
Auch ein Blick in den Spiegel hätte mir bereits schon einige Informationen
vor der Stunde gegeben, die ich u.U. mir gar nicht zugestehen wollte.
Nach dem One-Brain- Konzept - ein Zweig der Kinesiologie, die sich mit durch Stress entstandene Lernhemmungen und deren Lösung beschäftigt - hätte ich verschieden Stressstadien diagnostiziert:
Stresstufe 1: Auf der Stirn ist ein Feuchtigkeitsfilm. Ich bin noch gut handlungsfähig, vielleicht meine ich sogar, dass ich diese "Aktivierung" benötige. |
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Stresstufe 2: Unter einem Auge sehe ich das weiß. Da beide Augen nicht mehr auf der gleichen Achse liegen, kriege ich nicht alles mit. |
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Stressstufe3: Unter beiden Augen ist weiß erkennbar. Mein Körper zeigt langfristigen Stress an. Ich sollte etwas unternehmen. |
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Stressstufe 4: Kommt dann noch hinzu, dass die Iris nicht mehr auf Lichteinfall reagiert - sie bleibt groß oder ist winzig - ist mein ganzer Körper auf Angriff oder Flucht eingestellt. Vernünftige Reaktionen sind nicht zu erwarten. |
Ob Dir folgende Übungen zusagen, entscheidest Du. Wenn Du Dich entscheidest etwas zu wollen, dann ist es wichtig, dass Du hinter der Entscheidung stehst. Wie und ob die Übungen wirken, lässt sich am besten durch Experimentieren heraus finden.
2. Methoden der Kinesiologie im Umgang mit Stress
Übung 1:
Lege deine Finger leicht auf die Stirnbeinhöcker - das sind die
zwei Erhebungen auf deiner Stirn, die beim Erwachsenen 5 bis 7 cm
über den Augenbrauen liegen - und spüre die pulsartige Bewegung.
Wenn Du Dir die stressreiche Situation gleichzeitig vorstellst, wirst
Du bemerken, dass sich die pulsartigen Bewegungen links und rechts unterscheiden.
Konzentriere Dich auf die Bewegungen und synchronisiere sie. Vorstellungen
von z.B. unterschiedlichen Wasserwellen, die sich angleichen, können
dabei hilfreich sein.
Übung 2:
Reibe mit den Fingern einer Hand die zwei Gruben am Hals, an der Stelle,
an der die Schlüsselbeine auf das Brustbein treffen.
(In der
Akupunktur werden diese Punkte als Niere 27 bezeichnet).
Mit der anderen Hand massierst Du den Bauchnabel.
Wechsle nach einiger Zeit die Hände.
Die Wirkung wird verstärkt, wenn Du positive Affirmationen benutztst
("Ich bin geduldig und ruhig"....).
Hier sind Deiner Phantasie keine Grenzen gesetzt.
Sagen Dir diese Methoden der "Erdung" nicht zu, kannst Du es im Vorfeld mit Autogenem Training, Progressiver Muskelentspannung, Yoga, ... versuchen.
3. NLP-Verfahren
Eine anderes aus der Hypnotherapie abgeleitetes Verfahren, das NLP, bietet
Dir folgende Anker-Übung an. Ein "gesetzter Anker" kann in
momentanen Stresssituation außerordentlich hilfreich sein.
Übung 3: Sich einen Anker setzen
Nimm Dir Zeit und mach es Dir möglichst bequem. Du kannst die Augen schließen ... oder auch offen lassen. Erlaube es Dir ... in Deiner Erinnerung zurückzugehen ... zu einer Zeit ... in der Du kreativ ... voller Selbstvertrauen ... mit klarem Verstand ... bist. ... Mit alle den Fähigkeiten... die Du besonders an Dir schätzst. Mach Dir ein Klares Bild ... einen klaren Film ... in optimaler Größe so dass Du ... alle die Dinge ... die Personen ... die Gespräche ... die Tätigkeiten ... genau beobachten kannst.
Wenn Du mit diesem Bild ganz zufrieden bist ... berühre z. B. Dein rechtes Ohr - irgendeinen Punkt, den du nicht regelmäßig berührst. -
Nun gehe die Situation noch einmal durch ... und achte auf die Geräusche ... die zu dieser besonderen Situation gehören .. und wenn Du Dich so wie jetzt ... erinnerst ... berühre den gleichen Punkt.
Wenn nach mehrmaligen Durchgängen die positiven Gefühle bei der Berührung des Punktes auftreten hast Du Dich erfolgreich geankert.
Berühre diesen speziellen Punkt jetzt, wenn Du in Situationen kommst, in denen Du früher nicht weiter wußtest.
Diese Methode wurde nach einem Zeitungsbericht (Quelle
nicht mehr bekannt) in einer Berliner Schule in der folgenden Form
praktiziert:
Mit Hilfe einer Phantasiereise wurden die Schüler/innen auf Ressourcensuche
geschickt. Fanden sie eine Ressourcs, "berührte sie eine
Fee mit dem Zauberstab". Dies wurde mehrfach wiederholt.
In Leistungssituationen imaginierten die Schüler
kurz die Fee und berührten die Zauberstabstelle.
Nach dem Bericht verbesserten sich sowohl Leistung und Klima in der Klasse.
Übung 4: Kreis-Übung nach Genie Laborde
Für diese Übung ist es sehr praktisch, wenn Du sie mit einem Partner/
einer Partnerin durchführst. Sie/ er beobachtet dich und erkennt z.
B. an Deiner Hautfarbe, einer freien Atmung,... ob Du wirklich in einemguten
Zustand bist.
Wenn ich mich so mental auf eine schwierige Klasse vorbereitet habe, wird mir auffallen, dass die früher befürchteten Schwierigkeiten in dem Umfang gar nicht mehr auftreten.
4.
Literatur
Grinder, M. (1989): "Righting
the Educational Conveyor Belt" Metamorhous Press, Portland.
Laborde, G. (1988): "Fine Tune Your
Brain" Syntony, Palo Alto.
Stokes, G.; Whiteside,D. (1988): "One
Brain"
Watzlawik &.a. (1974): "Menschliche
Kommunikation" H. Huber Verlag, Bern