Inhalt:
1. Professionelle Kompetenzen
Wie wir bereits bei der Scholastik-Studie gesehen haben, lassen sich weder die für einen guten Unterricht notwendigen didaktischen Elemente, noch die, die für eine gute Lehrkraft kennzeichnend sind, empirisch feststellen.
Dies mag - neben den Grenzen der wissenschaftliche Methode --> Erzeugung von Mittelwerten, statistische Einebnung charakteristischer Züge, ... - auch an der komplexen Struktur einer Schulklasse liegen. Viele Interventionen und Maßnahmen der Lehrkraft erweisen sich nur im Nachhinein als sinnvoll oder gelungen.Schaut man sich eine Unterrichtsstunde an, sind innerhalb einer 45-Minuten- Stunde von ihnen ca. 200 Entscheidungen zu treffen. Dies setzt sie unter einen unheimlichen Handlungsdruck.
Die Geschwindigkeit, mit der Entscheidungen getroffen werden müssen, setzt den Erwerb von funktionierenden Routinen, Regeln und Ritualen voraus, die sie vom Handlungsdruck entlasten können. |
Wenn sie sich selbst dann auch noch an den kursierenden Listen von Unterrichtskriterien messen, sind Enttäuschungen vorprogrammiert. Eine gewissen Nützlichkeit haben diese "Anforderungskataloge" jedoch, wenn sie sie als Maßstab für die persönliche Weiterbildung verwenden.
Voraussetzungen für die berufliche Professionalität nach Weinert 1998 (zitiert nach H. Schmitt) sind die folgenden 4 Kompetenzbereiche:
- Sachkompetenz: Jede erfolgreiche Lehrkraft beherrscht
den Stoff und die Grundideen des zu unterrichtenden Faches.
Die Fähigkeit diese Sachverhalte für den Unterricht konstruktiv didaktisch aufzuarbeiten und sie an Schüler individuell anzupassen gehört dazu.
- Diagnostische Kompetenz: Die Fähigkeit Kenntnisstände zu erfassen und Leistungsprobleme einzelner Schüler zu erkennen wird ergänzt durch die Fähigkeit, einzelne Lernaufgaben auf ihren Schwierigkeitsgrad hin zu analysieren. Unabdingbar zur Diagnostischen Kompetenz gehört auch die Fähigkeit der Lehrkraft, ihr eigenes Verhalten gegenüber Schülern angemessen zu reflektieren und gegebenenfalls zu ändern.
- Didaktische Kompetenzen: Sie benötigen ein Bündel
an didaktischen Kompetenzen.
U.a. gehören dazu:
- zielgerichteter Einsatz verschiedener Unterrichtsformen (von der direkten Unterweisung bis zu offenen Lernformen).- Teamarbeit und Formen der Teamentwicklung
- Methoden zur Unterstützung des Lernen Lernens
- Formen der Reflexion und Metakommunikation
- Klassenführungskompetenzen (class management):
Diese Kompetenz wird in Untersuchungen von Schülern am stärksten
mit dem Qualitätsmerkmal eines "guten" Lehrers in
Verbindung gebracht.
Klassenführungskompetenz benötigt von der Lehrkraft die Eigenschaft und Fertigkeit soziale Beziehungen stiften zu können und auch zu halten.
Als Bündel von Fertigkeiten und Fähigkeiten gelten:
- - Maßnahmen zur Motivierung
- - Möglichkeiten der Aufmerksamkeitszentrierung
- - Prävention von Störungen
- - Umgang mit Störungen und Konflikten
AlltagstheorienUm mit dem dem überkomplexen Geschehen in einer Unterrichtssituation fertig zu werden, entwickeln Lehrkräfte Alltagstheorien. (Weil Alltagstheorien - im Gegensatz zu wissenschaftlichen Theorien - meist unbewusste - Grundlagen besitzen, enthalten sie oft sich widersprechende Grundsätze). Unterricht auf der Basis von Alltagstheorien bewährt sich in der Praxis, oder er scheitert. Er funktioniert nach dem Motto: "Bei mir funktioniert x, deshalb ist meine Theorie richtig ". Andere Menschen, mit anderen Glaubensätzen, Alltags-theorien, ... können die kausale Begründung häufig nicht nachvollziehen. Sie sehen sozusagen den "Blinden Fleck" der Selbstwahrnehmung und können die Einstellung, das daraus erfolgende Verhalten, nicht für sich übernehmen. Manchmal liegen Konflikte zwischen Berufsanfängern und erfahrenen Lehrern auf der Ebene nicht erläuterter - weil für selbstverständlich gehaltener - Auffassungen. Weil Alltagstheorien mit den Persönlichkeiten sehr stark verbunden sind, können sie nicht 1 : 1 übertragen werden und sind leider durch äußere Umstände manchmal sehr schwer zu verändern. "Es hat ja funktioniert, aber die neue Schülergeneration, der Computer, die Eltern, ... |
Wie unterscheiden sich die "Weinert - Kompetenzen" von den Kompetenzen bei O. Bauer?
2. Sich der eigenen Alltagstheorie von Unterricht stellen
Aus den bisherigen Überlegungen ergibt sich, dass Sie sich zu professionalisieren beginnen, wenn Sie Zusammenhänge zwischen Ihrer Persönlichkeit und dem Unterrichtsgeschehen herzustellen vermögen.
Die Fähigkeit zur biografischen Selbstreflexion wird neben den von Weinert herausgestellten Kompetenzen damit zum "zweiten Bein" beim beruflichen Vorwärtsschreiten.
Eine Möglichkeit, das zweite Bein und dessen emotionale Grundlagen
(Affektlogik) genauer kennen zu lernen, bietet das Lerntagebuch.
Weitere Möglichkeiten zur Selbstreflexion finden sie später hier.
3. Professionelle Entwicklung von Lehrpersonen
Im gleichnamigen Artikel beschreibt Tina Hascher zwei Pole in der Diskussion über die Entwicklung von Lehrkräften:
- Die Lehrkraft ist im Sinne von Spranger ein "geborener
Erzieher" (Zur Darstellung des Bergriffes Lehrerpersönlichkeit
bekommen Sie auch unter Punkt 8 Kommunikation/ Lehrerpersönlichkeit
zusätzliche Informationen)
oder - nach den in heutigem Verständnis bevorzugten lern- bzw. entwicklungspsychologischen Modellen entwickelt sich die Professionalität über Jahre hinweg. Die dafür notwendigen Kompetenzen werden in dieser Sicht über das Studium hinaus durch die Praxis vertieft und erweitert.
Doch wie kommt man überhaupt zu Aussagen über die Entwicklung
von Lehrerprofessionalität?
Im deskriptiven Ansatz wurden Lehrerstudenten/innen und Lehrer während
verschiedener Phasen ihrer Ausbildung beobachtet bzw. deren Lerntagebücher
analysiert. Dabei zeigte sich, dass die praktische Tätigkeit einen
besonderen Lernzuwachs hervorbrachte. Im Laufe der beruflichen Entwicklung
wurden aber die Lernzuwächse deutlich relativiert. (Wenn z.B. Studenten
einschätzten, dass das hochschulferne Praktikum "besonders viel
für den Beruf brachte", wird dies nach einigen Jahren Dienst
deutlich anders gesehen).
Im präskriptiven Ansatz/ normativen Ansatz wird betrachtet, was eine Lehrkraft leisten soll. Dabei lassen sich in der Entwicklung von Professionalität verschiedene Entwicklungsaufgaben charakterisieren. Unter Entwicklungsaufgaben soll hier verstanden werden, dass "krisenhafte Situationen" die Lehrkraft vor eine Lernaufgaben stellen. Entweder sie erwirbt das notwendige Wissen und kann es im Klassenzimmer einsetzen, oder sie scheitert an der Aufgabe.
Literaturhinweis:
Hascher, T. (2004): Professionelle Entwicklung von Lehrpersonen. in: journal für lehrerInnenbildung H. 1; 2004 S. 44 ff.
Hubert Schmitt (2003): Vom Lehrer-Wissen zum Lehrer-Können. In: System Schule; H. 1; 2003; S. 14 ff.
Neuenschwander, M.P. (2004): Kompetenzentwicklung beurteilen. in: journal für lehrerInnenbildung H. 1; 2004 S. 23 ff.