Logo
system

Grundlagen

1. Beobachten

Auge

Inhalt:
  1. Begriffserklärung: Beobachten
  2. Beobachtungsprobleme
  3. Literatur
  4. ..

Zum "rechten Logo"

Das Auge symbolisiert das Beobachten. Weil aber mit den Ohren " bzw. mit dem Tastsinn, ... auch Daten ermittelt werden können, sind diese Sinnesorgane immer mitzudenken.
Wenn im Text später ein Auge auftaucht, wird damit eine Beobachtugsaufgabe mit allen Sinnen angezeigt.

Begriffsklärung: Beobachten, Beobachtung

Atteslander definiert (1971, S. 121) Beobachtung als Erfassung aller „sinnlich wahrnehmbarer Tatbestände und Prozesse“.

Nur das was wirklich mit den Sinnen erfasst werden kann, ist nach dieser Definition ein Beobachtungsdatum.

Beispiel:


Franz rennt von seinem Platz, mit der Absicht einen Mitschüler zu demütigen. Dies ist eine Interpretation.

Eine Beobachtung wäre statt dessen: 10.30 Uhr verlässt Erna ihren Platz, geht an den Tisch 5 und ruft sehr laut Emil zu: ". . ." . ("Wortlaut")

In der Unterrichtssituation sind Sie im Schulalltag mit im Raum und damit sind Sie natürlich immer mit in das Geschehen verwickelt: "die Schüler blicken auf sie, erwarten von Ihnen Zustimmung, machen sie heimlich zum Komplizen, ..." auch wenn Sie nur beobachten. Je nachdem, wie stark Sie in die Interaktionen verwickelt sind, lassen sich folgende Positionen graduell unterscheiden:

  1. Sie sind teilnehmende/r BeobachterIn: Sie beobachten, wie ein Schüler gelobt/ diszipliniert wird. Da Sie in das System mit einbezogen sind: "die Schüler drehen sich z.B. um und beobachten Ihre Reaktion. Sie überlegen sich, ob Sie den Schüler, die Lehrkraft mögen, wie hätte ich in der Sitauation gehandelt, Sie geben innerlich ein Urteil ab, dies ist vielleicht aus Ihrer Mimik erkennbar und damit wieder für Schüler interpretierbar, ..." Sie erhalten inmitten des Geschehens eine Anmutung, "was da läuft".
    Kurz und gut, Sie werden vermutlich nicht ganz neutral beobachten können.
  2. Ist der Handlungsdruck noch größer - Sie unterrichten und loben/disziplinieren selbst und beobachten im Anschluss, wie der Schüler reagiert - ist die Qualität der Beobachtung potentiell noch stärker emotional gefärbt. Sie sind jetzt beobachtende/r TeilnehmerIn.
    Wenn Sie an den Schüler denken, der gerade positiv oder negativ sanktioniert wurde, und Sie jetzt beobachtet, um weitere Reaktionen einzuschätzen, können sie erkennen, dass seine Beobachtungsfähigkeit wohl auch eher eingeschränkt ist.
  3. Eine "objektive" Beobachtung ist demnach stärker möglich, je weniger Sie selbst Handeln müssen. Dieser Idealform entspricht die Beobachtung durch einen Einwegspiegel (z.B. in der Form des Microteachings), bei der die Lehrkraft und die Klasse Sie nicht erkennen und damit Ihre Reaktion einschätzen kann.
    Auch das Filmen von Unterricht ermöglicht im Anschluss eine "objektivere" Analyse, doch auch hier beeinflusst das Medium Film sowohl das Verhalten von Lehrkraft wie auch von KategorienSchülern.
    In verzwickten Situationen oder auch, wenn kein Beobachter zur Verfügung steht, können Tonband-/ Videomitschnitte Ihres Unterrichts hilfreich sein, wenn Sie dieses Band im Anschluss kritisch auswerten. Die nachträgliche Betrachtung eines Unterrichtsmitschnittes (Video oder Audio) erleichtert Ihnen eine objektivere Auswertung und gibt Ihnen hinweise auf Arbeitsschwerpunkte.

Grundlagen des Beobachtens

Um möglichst viel von Unterrichtsbesuchen und Hospitationen zu haben, ist es vorteilhaft, sich zuallerst über die Grundlagen des Beobachtens klar zu werden.

Wenn sie beobachten, beobachten sie in der Regel verschiedene Dimensionen gleichzeitig. Diese Dimensionen bilden ein Feld.

Als Elemente des Beobachtungsfeldes nennen Friedrichs & Lüdtke (1971, S. 43) unter anderem: Grad der Autonomie des zu beobachtenden Feldes, Verknüpfung mit anderen Feldern, räumliche Ausdehnung, Art und Anzahl der beteiligten Personen, Grad der Organisiertheit, Kommunikationsmuster und -kanäle im Feld , wiederkehrende Situationen, etc.

Nachdem ihnen klar wurde, welches Feld sie beobachten möchten, wird die Beobachtung vorstrukturiert. Nehmen wir also an, sie möchten das Verhalten der Schüler während des Sportunterrichts beobachten. Um überhaupt etwas beobachten zu können, legen sie sich im vornherein auf bestimmte, für sie wichtige Dinge, fest.

Die benötigten Beobachtungseinheiten (Verhalten in der Umziehkabine, Aufbau der Geräte, Spiel, Abräumen, ...) und Beobachtungskategorien , (Zusammenarbeit, aggressives Verhalten, Mitarbeit, ...) werden von ihnen nach ihrem subjektiven Verständnis oder aus Kenntnis der Literatur aufgeschrieben.
Jetzt sind sie in der Lage auf ganz bestimmte Verhaltensweisen (Indikatoren) zu achten.

(Feldt: Sportunterricht, Einheit: Verhalten in der Umziehkabine, Kategorie. Disziplin, Indikator: Peter kneift Ulrich 5 mal, Petra tritt ..., )

Ein Beobachtungsschemata hilft ihnen zudem ihre Beobachtungen fest zuhalten.

In einem Beobachtungsschema legen sie fest, auf welche Kategorien/ Indikatoren sie während einer bestimmten Zeit achten.

So können sich festlegen: "Alle 8 Minuten beobachte ich Gruppe A zwei Minuten und notiere meine Beobachtungen. Im Anschluss lege ich mein Augenmerk auf Gruppe B.

Dies ist erforderlich, da sie für genaue Aussagen auch Belege benötigen und weil sie im Klassenraum ja nur eine Gruppe während des Unterrichts nicht fortwährend beobachten können.

 

Probleme

Für eine "objektive" Beobachtung benötigen sie vor dem Beobachtungszeitraum genaue Kategorien, Kriterien und Indikatoren. Damit können Sie, flappsig gesprochen, "nur das beobachtete Verhalten notieren, für das sie auch eine Spalte angelegt haben."

Das Sie nicht ungestört im Klassenzimmer beobachten können, dürfte ihnen bei den Hospitationen auch klar geworden sein oder noch werden: Ist ein Beobachter im Klassenzimmer, kann er die ganze Situation verändern. Sie erkennen unter Umständen nur ein Ausnahmeverhalten. Z.B. der Umgangston der Lehrkraft ist viel netter, der ansonsten auffällige Schüler arbeitet gut mit, ... Oft ist es aber so, dass das Verhalten sich "normalisiert", wenn der Beobachter regelmäßig im Klassenzimmer ist.

Beispiel für eine Beobachtungskategorie mit Indikatoren:

Lassen sie uns als Beispiel für strukturierte Beobachtung die die SCHOLASTIK - Studie verwenden:
Zur Beobachtung des »Aufmerksamkeitsverhaltens der Schüler (Beobachtungsfeld)« wurde das Münchner Aufmerksamkeitsinventar (MVI) 5 bis 7mal pro Schuljahr eingesetzt. Beispielhaft für die 6 Beobachtungskategorien seien genannt:

  • Kategorie: On-task, passiv:

Indikatoren: Schüler tun genau das (oder scheinen es zu tun – kognitive Prozesse entziehen sich natürlich der Beobachtung ), was sie tun sollen, schauen z.B. zur Tafel, beschäftigen sich mit ihren Heften, etc.

  • Kategorie: off-task, aktiv:

Indikatoren: Die Lerngelegenheit wird nicht nur nicht wahrgenommen, sondern der Schüler interagiert erkennbar mit anderen Schülern und beeinträchtigt damit den Unterrichtsablauf.

 

Abweichungen und Schwierigkeiten

Das Unterrichtsgeschehen wurde von „trainierten Urteilern“ nach 27 Kategorienin den Dimensionen »Unterrichtsorganisation, Unterrichtsqualität , Lehrer-Schüler-Interaktion, Unterrichtsklima, andere sozial - emotionale Merkmale und nach Dimensionen des Schülerverhaltens« eingeschätzt.

Cicourel (1974, S. 78ff.) betont, dass der Beobachter „ein System von Bedeutungs- und Relevanzstrukturen mitbringt“, das die Interpretation des Objektfeldes bestimmt. Dabei sieht sich der wissenschaftliche Beobachter Problemen ausgesetzt:
1. "Er muss die Handlungen seiner Versuchspersonen (oder ihre Berichte über ihre Handlungen) gemäß den Relevanzstrukturen des Alltagslebens interpretieren ...“
2. "Er muss eine theoretische Perspektive , die die Relevanzstrukturen des Handelnden in Betracht zieht, aufrechterhalten, und gleichzeitig ein System von Relevanzen unterhalten, die es ihm erlauben, mit dem Handelnden zu interagieren ...“
3. Da der Beobachter niemals „als ein Teilhaber in einem Interaktionsmuster mit einem der Handelnden die soziale Szene betreten (kann), ohne zumindest zeitweilig seine wissenschaftliche Stellung aufzugeben“, muss der Beobachter ein Modell des Handelnden haben, welches als Teil in seiner Theorie der sozialen Ordnung enthalten ist.

Mit den Worten des Konstruktivisten ausgedrückt:

Ein Beobachter kann nur das beobachten, was innerhalb seiner Perspektive liegt.
Er sieht nicht, was er nicht sehen will/ kann.

Aufgabe

Jede Beobachtung enthält systematische Fehler. Erkunden Sie das Internet mit dem Stichwort "Beobachtungsfehler".

Tipp

HinweisWenn Sie im ersten Halbjahr hospitieren, besprechen Sie bitte mit Ihrem Mentor / Ihrer Mentorin, welche/s Beobachtungsfeld/er, welche Kategorien sich als Beobachtungsaufgabe in dieser Unterrichtsstunde anbietet/ bzw. anbieten. ZB.
Beispiel: Lehrer - Schüler - Interaktion: Formulierung von Arbeitsanweisungen, Reaktionen der Schüler, Unterstützung einzelner Schüler nach Vergab des Auftrages, Überwachung, ...

Beobachten Sie am Anfang nur wenige Kategorien, diese dann aber genau.

 

Wenn Sie unterrichten, überlegen Sie sich vorher, zu welchen Feldern Sie gerne Rückmeldung haben möchten. Sprechen Sie dies mit Ihrem Mentor, Ihrer Mentorin ab.

Besonders für den Anfang gilt: "Weniger ist mehr!"

Literatur:

Atteslander, Peter (1971): Methoden der empirischen Sozialforschung. 2. Auflage, Berlin - New York, Sammlung Göschen, 1971

Cicourel, Aaron V. (1974): Methode und Messung in der Soziologie. Frankfurt, stw