1. Einführende Überlegungen:
Wenn Sie sich einmal überlegen, wie sie Unterricht erlebt haben oder wie sie unterrichten, werden sie sicher feststellen, dass Unterrichtsstunden in ihrem Verlauf bestimmte Charakteristika aufweisen:
Charakterisieren Sie kurz eine Unterrichtsstunde! |
Sie haben vielleicht aufgeschrieben, dass ihre Stunde eine Stundeneröffnung,
eine wie immer auch geartete Erarbeitungsphase und eine Übungs- oder
Wiederholungsphase besitzt.
Dies sind Grundstrukturen des Unterrichtens, die als "bewährtes
Grundmuster" über Jahrhunderte in einer traditionellen allgemeinen
Didaktik beschrieben wurden.
Vergleiche Artikulationsmuster des Unterrichts.
Begriffsbestimmung Didaktik:Als wissenschaftliche Reflexion des Lehrens und Lernens befasst sich eine allgemeine Didaktik ( Gegensatz Fachdidaktik) mit den:
Dabei ist sie beschränkt auf die gesellschaftlich geltenden Normen, Regeln und Formen des Lehrens und Lernens. In einer moderneren Form fasst das klassische Didaktische Dreieck die Bedingungen des Unterrichtens zusammen. |
2. Grundfragen einer Allgemeinen Didaktik
a. Was soll gelehrt und gelernt werden?
In der Tradition der geisteswissenschaftlichen Pädagogik, soll dem
Lernenden / Heranwachsenden ein "Welt- und Selbstbild" schrittweise
erschlossen werden. Die pädagogische Verantwortung in
einer geschichtlichen Situation und der Bildungsbegriff sind
dabei die zentralen Kategorien.
Nur wenn ein unterrichtlicher Inhalt diesen Anforderungen gerecht werden
kann, so wird er nach Klafki zum Bildungsinhalt.
In der didaktischen Analyse entwickelt Klafki ein Instrument zur konkreten
Unterrichtsvorbereitung.
Die kategoriale Bildung in der Diskussion:Kritisiert wurde die didaktische Analyse u.a. von Blankertz, da
sie die Methoden vernachlässigen würde.
|
Um subjektive Entscheidungen, was denn ein Bildungsinhalt sei, einer rationalen
Diskussion und Konsensbildung zugänglich zu machen, entwickelte Robinsohn
(1967) den Curriculumsbegriff. Nach Offenlegung
aller Kriterien verbleibt für die Erziehung die Aufgabe, dass durch
den Unterricht die Schüler befähigt werden sollen,
"Lebenssituationen zu bewältigen".
Da zukünftige Lebenssituation nur sehr schwer vorher zu sagen sind,
ist die Umsetzung des Ansatzes prinzipiell mit Schwierigkeiten verbunden.
b. Wie soll gelehrt und gelernt werden?
Im Gegensatz zu den bildungstheoretischen Modellen stellen die lerntheoretischen (Berliner Schule/ Hamburger Modell) das Lehren und Lernen im Unterricht in den Mittelpunkt ihrer Analyse. Inhalte und Intentionen des Unterrichts werden je nach Modell mehr oder weniger stark berücksichtigt. In den Vordergrund stellt sich die Frage, auf welchem Wege sie zu vermitteln sind.
Begriffsbestimmung:Methode ist der Weg des didaktischen
Handelns: |
Als Weiterführung der Berliner Schule bzw. des Hamburger Modells untersucht die Unterrichtswissenschaft das Lehrerhandeln unter verschiedenen Perspektiven (Strukturmomenten). Dabei strebt sie an, konkrete Handlungsanweisungen zu vermitteln.
Mehr zur direkten Umsetzung der lerntheoretischen Modelle finden sie bei der Unterrichtsplanung.
Eine konsequente Weiterführung des lerntheoretischen Ansatzes bildet die informationstheoretisch - kybernetische Didaktik (v. Cube; Frank), die vollkommen von der Diskussion und Legitimation der Inhalte absieht. Lehraufgaben werden "algorithmisiert" und durch geeignete Programme dargeboten. Heute hat dieser Ansatz eine gewisse Bedeutung in der schnellen Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten, vor allem im beruflichen Sektor.
Noch stärker als die Unterrichtsforschung untersucht die systemtheoretische Didaktik die Vorgänge im Klassenzimmer. Aus der Modellbildung heraus sollen konkrete Handlungsanweisungen zur Planung und Gestaltung von Unterricht erfolgen.
Eine weiterführende Aufgabe finden sie hier
c. Wie interagieren die an Lehr- und Lernprozessen beteiligten Personen?
Ist die Interaktion im Vordergrund des didaktischen Handelns, ist der Ansatzpunkt die Theorie des kommunikativen Handelns gegeben: Lehren und Lernen sind Inhalte der Kommunikation bzw. Kommunikationsformen. Das soziale Feld "Schulklasse" sowie die Frage "Wie können Schüler als Interaktionspartner gewonnen werden?" dominiert die didaktische Analyse.
Zum NachdenkenÜberlegen Sie sich, bei welchen unterrichtlichen Situationen der Ansatz einer kommunikativen Didaktik sich als sinnvoll erweisen könnte. |
Schon in der bildungstheoretischen Didaktik ist der kommunikative Aspekt in der Gestalt des "pädagogischen Bezuges" (Weniger) vorweg genommen.
d. Wozu wird etwas gelehrt und gelernt?
Was wozu gelernt werden soll ist das Grundproblem jeder didaktischen Entscheidung, egal ob sich Vertreter einzelner Modelle dazu bekennen oder nicht.
Auch wenn normative Didaktiken suggerieren, dass aus Normen der Gesellschaft (religiöse Ideale, politische Zielsetzungen, ...) konkrete Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen abgeleitet werden können, bleibt das "Wozu des Lernens" eine objektiv nicht zu bestimmende Größe.
Erläuterung:1. Die bildungstheoretische Didaktik leitet aus der Erziehungswirklichkeit eine Aufgabenbestimmung ab. Deshalb wird ihr der Vorwurf einer Anpassungsdidaktik an die bestehenden Zustände gemacht. 2.Die lehrtheoretische Didaktik verzichtet auf eine Hinterfragung gegebener Leitziele: "Dies ist Aufgabe der Politik!" Beide Didaktiken (Klafki in seiner kritisch-konstruktive Erziehungswissenschaft/
Schulz in seinem Hamburger Modell) lösen sich aus diesen Vorwürfen,
in dem sie Emanzipation und Mündigkeit als Erziehungsziel formulieren.
Was beide Begriffe in der konkreten Situation aber bedeuten, ist nur
im gemeinsamen Gespräch zu erfassen. |
In einer modernen Didaktik geht es also darum zu erkennen, dass alle didaktischen Entscheidungen in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Verhältnissen getroffen werden. Eine Offenlegung der Prämissen erlaubt eine kritische Überprüfung der Zieldimension.
nach obene. Offene Fragen
Weitere Schwerpunkte, die nicht durch die 4 Grundfragen der Didaktik berührt sind, werden exemplarisch dargestellt:
1. der institutionelle Aspekt: Schule erzieht als Institution.
Das Aufwachsen in verschiedenen Schultypen und den damit verbundenen Rahmenbedingungen
erzeugt einen "heimlichen Lehrplan".
Schulkritiker wie v. Hentig weisen immer wieder darauf hin und verweisen
als Gegenutopie auf die "Polis" - die Schulgemeinschaft.
2. das lernökologische Umfeld: Jede Schule liegt in einem bestimmten Einzugsgebieten mit ganz bestimmten Voraussetzungen. Allgemeine Handlungsanweisungen berücksichtigen dies häufig nicht.
3. das ungeklärte Verhältnis von der Allgemeinen zur Fachdidaktik: Die relativ neuen Fachdidaktiken entwickeln oft durch Abgrenzung und Ausschluss eine eigenständige Funktion. Übergreifende Gesichtspunkte können dadurch verloren gehen.
4. das ungeklärte Verhältnis von Theorie und Praxis:
Statt zu überlegen, wie ein Unterricht aussehen könnte, ist es
erforderlich herauszufinden, was im Unterricht tatsächlich geschieht
d.h. wie Theorien verstanden und praktisch umgesetzt werden.
Dabei kann jeder Lehrer zum Forscher und Theoretiker werden, wenn er systematisch
vorgeht.
Zum
Nachdenken!
Welches didaktische Modell ist ihr Favorit? Welche Vorteile bietet es? Welche Sachverhalte oder Beziehungen werden kaum von ihm erfasst? Was macht dieses Modell zu meinem? |
3. Artikulationsstufen
a. Merkmale eines gestuften Unterrichts:
- Unterrichten ist ein Prozess, der bestimmte Gestalten besitzen kann.
- Die Stufen strukturieren vermutete Lernphasen der Schüler. Demzufolge sind sie mehr oder weniger gut geeignet diese zu unterstützen.
- Es gibt Stufungen, die mehr als andere einen Lehrerfolg herbeiführen können.
- Lehren und Lernen unterliegt "bestimmten Gesetzmäßigkeiten", denen durch Stufung entsprochen werden kann.
b. Grundmodelle
Alle Stufungsmodelle lassen sich im Prinzip auf einen einfachen Dreischritt zurückführen, der mehr oder minder kunstvoll durch Schleifenbildung auch mehrfach in einer Unterrichtsstunde durchlaufen werden kann.
Stellen wir an den Anfang das populäre Verarbeitungsmodell der Gehirnforschung:
Modell/ Autor | Stufe 1 | Stufe 2 | Stufe 3 |
---|---|---|---|
Gehirnmodell
(Computeranalogon) |
in put | Verarbeitung | out put |
Aristoteles | Sinneseindruck | Verstand | Streben |
F. Huber | Erschließung | Besinnung | Bewältigung |
A. Vogel | Eindruck | Aneignung | Ausdruck |
... | Beobachtung | Verarbeitung | Darstellung |
... | Anschauen | Denken | Anwenden |
Aufnehmen | Durchdringen | Ausdrücken | |
Hinleitung (Gegenstand) |
Darstellung (Beispiel) |
Verarbeitung - (Ergebnis) | |
Anfangssituation | Mittelsituation | Endsituation |
Diesen Stufen werden verschiedene Lernakte zugeordnet:
1. Stufe: Erschließung des Neuen
Der Lernende soll eine Beziehung zum Unterrichtsgegenstand herstellen können.
Eigene Vorerfahrungen werden reaktiviert, Neugierde geweckt, ...
2. Stufe: Erarbeitung und Besinnung
Probleme werden von den Lernenden erfasst, Zusammenhänge entdeckt, zu
Grunde liegende Strukturen konstruiert, ...
Die Lehrkraft kann durch Material, Gespräche, Sozialformen, ... das
Geschehen anregen.
3. Stufe: Akte der Bewältigung
Die Lernenden verfügen über Wissen und Können um damit bestimmte
Problemsituationen zu lösen oder das Gelernte auf Aufgabenstellungen
anzuwenden. Üben, Einordnen, Übertragen, ... sind dafür gängige
Bezeichnungen.
Dramaturgie des Unterrichts
Werden die einzelnen Stufen von der Lehrkraft durch besondere Methoden akzentuiert, steigert sich vermutlich die Wirkung des Unterrichts.
c. Artikulationsstufen im forschend- entwickelnden Unterrichtsverfahren nach H. Schmidkunz & H. Lindemann - ein ausführliches Beispiel
Das Verfahren beruht auf folgenden Grundlagen:
- Lernen aus Problemsituationen
- das Verfahren ermöglicht genetisches Lernen (M. Wagenschein)
- die Lernenden sind aktiv am Erwerb des Wissens beteiligt (Aebli u.a.)
- die Erkenntnisse sowie deren Erwerb sind durch das Verfahren an sich strukturiert. (J.S. Bruner) .
- die Motivation ist dem Verfahren immanent.
- Erfolg ist bei Beherrschung des Verfahrens gewährleistet.
Stufen des Verfahrens Schleifen sind erforderlich und deshalb einzuplanen |
||
1. Denkstufe: Problemgewinnung | 1a Phase: Problemgrund | Der Sachverhalt, der vielleicht nur dem Lehrer bekannt ist, soll vom Schüler aufgenommen werden |
1b Phase der Problemerfassung | Bei Differenzerfahrung kann ein Sachverhalt bei den Schülern
zum Problem werden. Gelingt es den Schülern, den Sachverhalt selbstständig zu formulieren, sprechen die Autoren von der Problemfindung. |
|
1c Phase der Problemerkenntnis oder Problemformulierung | Das Problem wird von allen erfasst und gemeinsam schriftlich formuliert |
|
2. Denkstufe: Überlegungen zur Problemlösung | 2a Analyse des Problems | |
2b Lösungsvorschläge | ||
2c Entscheidung für einen Lösungsvorschlag | ||
3. Denkstufe. Durchführung eines Lösungsvorschlags | 3a Planung des Lösungsvorhabens | |
3b Praktische Durchführung | ||
3c Diskussion der Ergebnisse | ||
4. Denkstufe: Abstraktion der neuen Erkenntnisse | 4a Ikonische Abstraktion | |
4b Verbale Abstraktion | ||
4c symbolhafte Abstraktion | ||
5. Denkstufe: Wissenssicherung | 5a Anwendungsbeispiele | |
5b Wiederholung | ||
5c Lernzielkontrolle |
Weitere Modelle zu naturwissenschaftlichen Unterrichtskonzepten finden sie hier (PDF-Datei).
Literatur:
Dieter Lenzen (Hrsg.;1986): "Enzyklopädie Erziehungswissenschaft. Bd. 3: Ziele und Inhalte der Erziehung und des Unterrichts". Klett - Cotta