Logo
Unterrichten

3. Lernen

Grundlagen

- Bezüge -

system


1. Eigene Erfahrungen mit Lernen

Eine Methode zur autobiografischen Selbstreflexion, die relativ großen Schutz in einer Öffentlichkeit gewährt, ist die Methode, typische Sprichwörter/ Floskeln zu notieren. Die meisten davon sind allen bekannt und wie sich in der Diskussion dann aber zeigte, können damit doch auch Unterschiede in der Einstellung/ den Erfahrungen verdeutlicht werden.

Die Vielfältigkeit des Lernens - die Unterschiede zwischen den verschiedenen Personen - wird in einem geschützten Rahmen sichtbar. Schauen wir einmal ganz kurz die diskutierten Erfahrungen/ Äußerungen an:

Lernen ist altersab-hängig Lernen ist anstrengend Lernen ist Vergnügen Glaubens-systeme natürliches Lernen Wissenschaftliche Theorien/ Methoden
Was Hänschen nicht lernt ... Ohne Fleiß kein Preis Im Spiel lernen Mädchen können keine Mathe kleine Kinder lernen die Sprache Lernen am Erfolg
Der frühe Vogel fängt den Wurm Vor dem Erfolg haben die Götter.. Gar nicht merken, dass man lernt Ich bin dafür nicht begabt Laufen lernen Lernspirale
Alte Hunde lernen keine neuen Tricks     E./ Kunst ... liegt mir   Motivation

In der zweiten Übung wurden ihre persönlichen Arbeitsbedingungen beim Lernen thematisiert. Obwohl sie alle als erfolgreiche Lerner diese Übung machten, waren in den verschiedenen Gruppen doch erhebliche Unterschiede festzustellen. Einige sind hier beispielhaft aufgeführt:

Ruhe Zeit Arbeitsplatz Ordnung Sinn/ Bedeutung
äußere Stille Zeitdruck Schreibtisch sauber aufgeräumt klare Zielvorstellung
innere Ruhe viel Zeit Sofa "chaotische Berge" "Prüfung" hinter sich bringen
leise Musik   Bett    
leise Geräusche        
Soziales Lernen Selbstbelohnung ??? ???
alleine lernen Schokolade    
alleine lernen - Ergebnisse diskutieren Essen/ Getränke    
gemeinsam lernen      

Es ist jetzt im Übertrag auf die Schüler zu überlegen, ob die Voraussetzungen, die Sie für sich beanspruchen, so auch auf die Schüler zutrifft.

Lernen_mindmap
HinweisZum Überlegen:

Wenn Sie mehr über sich und ihre Alltagstheorien erfahren wollen, empfehle ich Ihnen die Fragen/ Aufgabenstellungen für sich noch einmal durchzugehen und die Ergebnisse im Lerntagebuch aufzuschreiben.

Begründung:

Für die Herausbildung von Professionalität ist es wichtig, dass sie sich Ihrer "eigenen Theorien" bewusst werden. Sie erhöhen dadurch Ihre Sensibilität für sich und für die unbewussten Alltagstheorien Ihrer Schüler : " Wie gehen Sie mit einem Schüler um bzw. mit dessen Eltern um, der/ die mein(en)t, Lernen ist schmerzhaft bzw. nur spielerisch?"

nach oben

2. Fallarbeit

Die eigenen Erfahrungen wurden anschließend mit einer Fallgeschichte aus dem schulischen Alltag beschrieben.

dreieiniges Hirn

Exkurs

Die Amerikaner S. &. C. Clark beschreiben in ihrem Elternratgeber: "Hassle-Free Homework" (1989) drei grundlegende Funktionen des Gehirns: Handeln als Routine (aber auch im Sinne des Stressverhaltens - Angriff und Flucht), des emotionalen Gehirnanteils (Hypothalamus) und des wirklichen klaren Denkens (Frontalhirn).

Das "handelnde Hirn" - hier wird der Begriff im Sinne einer Metapher gebraucht - benötigt Sicherheit. Die Person weiß sozusagen, wie der Hase läuft. Überraschungen sind ausgeschlossen. Zum weiteren Lernen sind zuerst die Bedürfnisse dieses Hirnteils zu befriedigen. Rituale und Regeln, aber auch classroom-skills von M. Grinder stellen z.B. Hilfen dafür zur Verfügung. Mavhmal findet man noch die Gleichsetzung dieser Hirnteile mit den alten Gehirnteilen und dem Hirnstamm, dem sogenannten "Reptilienhirn".

Das "emotionale Hirn" wiederum verknüpft alle höheren Funktionen mit einer emotionalen Bewertung. Lust- und Unlustreaktionen sind damit verknüpft ("Schokolade oder Zeitdruck!"). Beziehungsdidaktik, der pädagogische Bezug zu den Schülern, spielerisches, entdeckendes Lernen,... sind Termini, die an diese Hirnfunktion anknüpfen.
Das "Fühlende Hirn" wird mit dem Limbischen System (untere Teile des Großhirns und das Zwischenhirn) in Verbindung gebracht ("Säugerhirn").

Erst wenn die "Bedürfnisse" der beiden anderen Hirnteile erfüllt sind, leistet das Frontalhirn - das denkende Hirn - wirklich gute Arbeit.

In der Seminarrunde nannten Sie diesen Zustand "Innere Ruhe".
Im Vergleich dazu haben viele Schüler noch gar nicht die Sicherheit (Eltern lassen sich scheiden, Kind wird vernachlässigt, ...) oder emotionale Beziehung (Für was lerne ich überhaupt? Es geht doch auch so, Ich werde gemobbt, ...") gefunden, die ein wirkliches Denken und Verstehen ermöglicht.
Deshalb muss es Ziel jeder pädagogischen Maßnahme zuerst sein, die Bedürfnisse der "unteren Hirnteile" zu befriedigen.

(c) Grafiken alle von MS-Clips

Die Bearbeitung der Fallgeschichte erfolgte nach dem Schema:

Sie erhalten einen Schüler in der 5. Klasse und merken nach wenigen Tagen, der Schüler ist nicht ganz einfach.

a. Sie besorgen sich im Anschluss Informationen. Unmittelbar zur Verfügung stehen:

  1. die Zeugnisse und
  2. die Karteikarten.

b. Zusätzlich beschaffen sie sich weitere Informationen:

  1. Sie beobachten gezielt das Verhalten des Schülers
  2. führen Gespräche mit ihm
  3. führen Gespräche mit den Eltern/ Verwandten
  4. ziehen den/die Beratungslehrer/in mit ein und klären ab, ob Überforderungen/ Unterforderungen die Ursache sein könnte.

c. Sie gehen auf Schatzsuche um

d. pädagogische Anschlusshandlungen zu ermöglichen.

a. Informationen

Schulbericht Klasse 1:
X kennt alle Buchstaben und kann geübte Wörter in Druck- und Schreibschrift lesen und schreiben. Er schreibt flüssig aber auch flüchtig, so dass die Texte nicht immer fehlerfrei abgeschrieben werden. Die bisher geübten Aufgaben im Zahlenbereich 20 kann er selbstständig rechnen. Schulbericht Klasse 2:
X kann einen Text fließend und sinngestaltend vorlesen. Er kann wortgewandt erzählen. Einfache Sätze aus dem Gedächtnis richtig aufschreiben, bereitet ihm noch einige Mühe. Im Zahlenraum bis 100 kann er Lösungswege meist ohne Hilfe finden. Beim Kopfrechnen zeigte er sich schnell und sicher. Im Sportunterricht mangelt es ihm an körperlicher Gewandtheit und Ausdauer.

Zeugnisse

Fach Halbjahresinformation
Klasse 3
Zeugnis Klasse 3 Zeugnis Klasse 4
Rel. - 3 2
D 4+ 4 4
HUS 3 3 2
Mathematik 3- 3 3
BK 3 4 3
Mu 2 3 2
Schrift/Gestaltung 3,5 4 3
Sport 3 3 3
TW 3 3 3

Verhaltensbeschreibungen

1. Schuljahr: X hatte nicht immer ein ungestörtes verhältnis zu seinen Mitschülern. er war kaum imstande, mit anderen zusammen zu arbeiten. Sein Verhalten gegenüber den Lehrern war höflich. Schuleigentum behandelt er wenig pfleglich... Vereinbarte Regeln konnte er meist einhalten.
x beteiligte sich am Unterrichtsgeschehen in der Regel still. Er war leicht ablenkbar. Schriftliche Arbeiten erledigte er recht flüchtig, seine Hausaufgaben fertigte er meist sorgfältig an.
Bei gestalterischen Aufgaben verweilte er nicht gern lang.

2. Schuljahr: X hat sich gut in die Klassengemeinschaft eingefunden. Er war gern bereit, mit anderen zusammen zu arbeiten. Manchmal betonte er seine körperliche Überlegenheit über andere ...

3. Schuljahr: X's Verhältnis zu seinen Klassenkameraden war oft nicht störungsfrei. Immer wieder plagte er grundlos seine Mitschüler ... Erwachsenen gegenüber verhielt er sich freundlich und gesprächsbereit ... X's Arbeitsverhalten war sehr stark Stimmungen unterworfen. Am Unterrichtsgeschehen beteiligte er sich mit sehr wechselndem Interesse. Schriftlichen Arbeiten mangelte es häufig an der nötigen Sorgfalt. Es kam oft vor, dass er seine Hausaufgaben vergaß.

Karteikarte:
Häufig wechselnde Schulort , häufig wechselnde Wohnorte, wechselnde Erziehungsberechtigte.

Ergebnisse des Schulleistungsttests (PSB) zu Beginn Klasse 5:

PSB

b. Beobachtungen im Unterricht:

  • X organisiert und beteiligt sich an Aktivitäten
  • redet gern und trägt Erlebnisse vor
  • macht Unsinn, wenn er längere Zeit nicht beobachtet wird
  • hat ambivalentes Verhältnis zu den Lehrpersonen
  • vermeidet das Schreiben
  • stört Geburtstagsfeiern
  • liefert Hausaufgaben nicht regelmäßig ab
  • wenn er die Aufgaben erledigt hat, beginnt er mit Mitschülern zu reden
  • ist häufig in Auseiandersetzungen verwickelt
  • trägt ab und zu Misshandlungsmerkmale

Gespräche

X meint:

  • meine Eltern lieben mich nicht, nennt "Beweise"
  • fühlt sich ungerecht behandelt
  • ausgenutzt
  • nirgendwo zu Hause
  • dass seine Leistungen von Niemandem anerkannt werden
  • "die Mitschüler akzeptieren mich nicht"
  • durch die Randlage seiner Wohnung ist ein Kontakt zu den Mitschülern nicht möglich
  • schulische Misserfolge werden von den Eltern körperlich geahndet

Die Eltern betonen ihrerseits "X ist nichtsnutzig und schlecht". Sie erwarten, dass er in der Schule versagt.
Eine Verwandte - x mag sie sehr - nennt bei den Eltern ein "Alkoholproblem". deshalb sei X auch im Heim untergebracht gewesen.

Eine Strafarbeit, die als Gesprächsanlass verwendet wurde:

Strafe

c. Schatzsuche

Sie finden bei X:

  • großes Interesse an naturwissenschaftlichen Dingen
  • die Fähigkeit Geschichten zu erzählen
  • Interesse an Witzen und Wortspielen
  • er ist anhänglich, bei Ausflügen kontaktsuchend
  • den Wunsch, jemanden zu finden, mit dem er über Probleme sprechen kann
  • die Hobbies Dart und Schach

d. Pädagogisches Anschlusshandeln

Vorbemerkung: In die Klasse 5 wurden nach Aktenlage 16 Schüler mit schlechter Schulprognose eingeschult. Durch diese geringe Klassenstärke sollte eine bessere Differenzierung erfolgen und die anderen Klassen entlastet werden. In Wirklichkeit füllte sich die Klasse bis Ende 7 auf 30 Schüler.

Pädagogisches Konzept u.a.:

  • Einsatz einer Klassenlehrerin und eines Klassenlehrers als Doppelklassenlehrer (Modellfamilie).
  • Wöchentlicher Morgenkreis mit dem Element "Was hab ich gut gemacht?"
    "Das kann ich" (Stärkung des Vertrauens in das eigene Können, ritualisierte Selbstdarstellung, Einhaltung von Gesprächsregeln)
  • Tiere im Klassenzimmer (Kuschel-, Beziehungsfaktor, Verantwortung) Wurde leider immer wieder gestört, u.a. dadurch, dass Schüler anderer Klassen Seife ins Aquarium gaben, die Goldhamster quälten, ...)
  • Rückstellung des Wissenserwerbs, Vorrang der sozialen Fertigkeiten und des Methodenlernens ( Stärkung des Selbstvertrauens) --> Die Schüler legten Ende Klasse 9 aber eine gleichwertige Prüfung ab.
  • Intensiver Einsatz des Beratungslehrers.
  • Einführung eines Klassengerichtes (J. Korczak, Mediation)
  • Viele Lerngänge und Projekte (u.a. Steinzeittag: u.a. Hähnchen mit Steinen zerlegen, Feuer machen, braten und Essen).
  • relativ viele Elterntage. Ein Element war immer, dass die Schüler irgendetwas vorführten, oder den Eltern die verwendeten Methoden (Freiarbeitsmaterial) erklärten.
  • ...

e. Vermutliche Auswirkungen

Die sich bildende Klassengemeinschaft trug X mit und entwickelte ein Verständnis für seine besondere Lage.

Zeugnisse von X

  Halbjahresinformation Klasse 5 Zeugnis Klasse 5 Halbjahresinformation Klasse 6
Rel. 2,5 2 4
D 3+ 3 3,5
Ek 2,5 2 2,5
Eng 2 3 2,5
M 3+ 3 2,5
B/C 2,5 2 2,5
Sport 3,5 3 2-
Mu 1,5 2 1,5
BK 3 3 3,25
T 3 3 2,25

In der 2. Schuljahreshälfte entschloss sich X mit der Hilfe des Jugendamtes seine Familie zu verlassen. In der neuen Schule war er anfänglich unauffälig, später gab es jedoch Schwierigkeiten. Heute arbeitet er in einem Lehrberuf.

nach oben

3. Zum Nachforschen

In Deutschland scheint der Anteil der Schulverweigerer und Schulschwänzer nach Presseberichten immer mehr zu steigen. Auf dem Gutshof "Rössle" in Breitnau werden auf einem Bauernhof "Schulaussteiger" von Lehrern und Sozialarbeitern ca. im Verhältnis 1:4 betreut. Bevor diese Schüler am eigentlichen Unterricht Teil nehmen, benötigen sie etwa ein Viertel Jahr um sich überhaupt an das frühe Aufstehen zu gewöhnen. Orginalton:" Hier stehe ich um 6 Uhr auf, zu Hause schlief ich bis 13.00 Uhr und machte Party bis 2.00".

Die Arbeit mit den Tieren - Melken und Misten - schafft neben dem wieder geregelten Tagesrhythmus auch wieder einen emotionalen Bezug und damit auch Selbstvertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit.

Wer von Ihnen erkundigt sich genauer?

Was Sie vielleicht sonst noch interessieren Könnte: www.freiburg-schwarzwald.de/jugend.htm

pdf der Seite

Literaturhinweis: