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Unterrichten

3.1 Das Lernen lehren

Lernbiologie

- Hilfreiches zum Unterricht -

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Lernbiologie

Inhalt:

  1. Übersicht
  2. Hirn - vertikal
  3. Hirn - gespalten

1.Übersicht

Denken_1Eine Vielzahl an Ratgebern, pädagogischen Konzepten und Methoden beruft sich auf die "neuesten Ergebnisse" der Hirnforschung. Sie versprechen ungeahnte Möglichkeiten des "Neuen Lernens". Denken_2
Für Sie kommt es darauf an, diese Versprechungen auf den "brauchbaren" Gehalt hin zu untersuchen. Dabei sollten Sie berücksichtigen, dass die interindividuellen Unterschiede zwischen den Arbeitsweisen der Gehirne verschiedener Personen extrem hoch ist. Unterschiede zu erkennen und die verwendeten Methoden an die jeweilige Personen anzupassen, erfordert ein großes Wissen und genaues Beobachtungsvermögen.

Vielleicht ist es aber in der Praxis auch so, dass die Methoden die besten Erfolge erzielen, hinter denen Sie als Lehrkraft stehen, also mit Überzeugung einsetzen. Die folgenden Mikro/makro- Methoden werden im theoretischen Zusammenhang dargestellt. Die Brauchbarkeit zu erweisen, ist Ihre Angelegenheit.

 

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2. Hirn vertikal

denkendes_HirnBetrachten wir die Lehre vom dreieinigen Hirn als Metapher - wissenschaftlich gesehen ist sie zu einfach - und schauen einmal, wie wir sie umsetzen können.

a. Das Reptilienhirn (Handelnde Hirn):

Verschiedene "Hirnbilder zeigen ganz deutlich, dass unter Stress, Angst und " erworbener, erlernter Hilflosigkeit" das Gehirn auf Überleben schaltet. Mustersuche und Problemlösung sind nicht mehr möglich.
Dies bedeutet für den Unterricht , dass die folgenden Stressfaktoren zuerst abgebaut werden müssen:

  • physische Bedrohung durch Klassenkameraden, den Lehrkörper, die Familie oder andere Personen
  • intellektuelle Bedrohungen - Ideen werden lächerlich gemacht, Arbeiten mit ironischen Kommentaren versehen, Informationen, die zur Bearbeitung einer Aufgabe notwendig sind, werden nicht gegeben, ...
  • emotionale Bedrohung - Selbstwertgefühl wird beschädigt ("Du bist zu ..."), Belohnungssysteme, die mit Liebesentzug arbeiten, ...
  • sozio-kulturelle Bedrohungen - Isolierung von den/durch Mitschüler, eigene kulturelle Vorstellungen werden nicht respektiert, mangelnder Respekt, ...
  • zeitlicher Druck.
Handlungsüberlegungen:

Um diese Grundbedürfnisse des "Hirns" zu stillen, sollten Sie, wenn Sie jetzt eine Klasse neu übernehmen auf die Punkte achten:

  • Schaffen sie zuerst eine vertrauens- und respektvolle Atmosphäre im Klassenzimmer.
  • Lassen sie kleine Projekte/ Themen von den Schülern wählen (Inhalte, die die Schüler mögen, für wichtig halten).
  • Führen Sie konstruktive und produktive Rituale ein.
  • Bedrohungen, Belohnungen und künstliche Zeitbegrenzungen sind kontraproduktiv.
  • Versorgen Sie die Schüler mit allem Material und Informationen, die sie zu einer Bewältigung von Aufgaben brauchen.
  • Erlauben Sie den Schülern Aufgaben auf verschiedenen Wegen zu bearbeiten und selbst zu überprüfen.
Learning and meaning is driven by feelings; the brain is virtually "a box of emotions."

The limbic system, this primitive brain that can neither read nor write, provides us with the feeling of what is real, true and important.

MacLean zit. n. Jensen S. 29

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b. Das Limbische System (Fühlende Hirn):

fuehlendes_HirnWeil das Limbische System sozusagen der "Kleber ist, der alles zusammenhält" oder der "Motor, der alles bewegt", gilt es, die besondere Wirkungsweise zu berücksichtigen. Hier entsteht das, was man als Selbstvertrauen, Selbstkonzept, Kontrollüberzeugung, Glaubenssystem, ... bezeichnet hat.

Für den Unterrichtenden besteht neben der Aufgabe die Schüler zum Wissenserwerb - zur Auseinandersetzung mit den Inhalten - anzuregen, die noch schwierigere Aufgabe, die Schüler zur Selbstbewertung des Lernprozesses zu führen.
Um zu wissen, dass man etwas weiß und kann, sind 3 Kriterien zu erfüllen:

  • Der Lerninhalt sollte in der bevorzugten Modalität (Sehen, Hören, Fühlen, ...) repräsentiert werden. (Dies bedeutet für Dich, dass für die Gruppe eine vielseitige Zugangsweisen berücksichtigt werden.)
  • Er muss - in Abhängigkeit von den personellen Fertigkeiten/ Fähigkeiten - mehrfach wiederholt werden.
  • Die Überzeugung, dass ich ihn verstanden habe , sollte einige Zeit andauern d.h. eine bestimmte Konsolidierungszeit ist notwendig, bevor das Schema wieder verändert wird.

Learners not only need to learn but also need to know that they know.

Jensen S. 31

Wenn ein Schüler von sich glaubt, dass er z.B. unfähig ist, einen Sachverhalt zu verstehen, dann können Sie sich noch so sehr anstrengen, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Es wird nicht klappen, sein Glaubenssystem verhindert die dazu "nicht passenden" Informationen. Um dies an Beispielen zu verdeutlichen:

Beispiel 1:

Schüler A, nennen wir ihn einmal Peter, hat in der Grundschule die Erfahrung gemacht, dass Lesen und Schreiben mit Schwierigkeiten verbunden sind. Da seine Mutter sich sehr große Sorgen machte, entsprechende Literatur las und schließlich eine LRS-Elterngruppe kündigte, erwarb er sehr intensiv den "Glauben": "Ich bin Legastheniker".
Im 10. Schuljahr, er schrieb inzwischen in der Klasse die besten Diktate, beschwerte ersich - später auch die Mutter - beim Informatiklehrer, der einige Fehler im Maschinenschreiben angestrichen hatte, dass die Legasthenie bei der Arbeitsnote zu berücksichtigen sei. Beide (Peter und seine Mutter) registrierten gar nicht, dass Peter in der Leistungsspitze der Klasse lag.

Beispiel 2:

Schüler B, Franz, erhält jedesmal im Diktat eine 6. Im Gespräch äußert Franz, dass das für ihre Familie ganz normal sei: "Es liegt in der Familie. Wir alle schreiben in der Schule schlecht. Mir geht es so, wie meiner Schwester. Die ist 18 geworden, dann konnte sie richtig schreiben". Übungen zur Rechtschreibung wurden demnach auch abgelehnt, "da sie ja sowieso in dem Alter" nichts bringen konnten.

Fragezeichen
Zum Überlegen:

Heute erhalten viele Schüler sehr früh eine etikettierende Diagnose:

Du hast Legasthenie, Dyskalkulie, ADHS, ...!

Unter welchen Umständen verhindern diese Bezeichnungen einen Wandel?

Wann können sie hilfreich sein?

In der Dissonanztheorie (nach Leon Festinger - kognitive Dissonanz) werden Aussagen über die Schwierigkeiten bei der Veränderung von Einstellungen gemacht. Vielleicht könnte dies für sie eine Anhaltspunkt sein, selbst mehr darüber heraus zu finden.

Viele Schüler erreichen den positiven "Selbstüberzeuger-Status" allein. Sie wissen zwar nicht "Wie?" sie gelernt haben, aber sie sind davon überzeugt, dass sie den Lerninhalt beherrschen.
Schüler, die das Ergebnis ihres erfolgreichen Lernprozesses kennen, neigen im Endeffekt dazu, mehr Selbstvertrauen im Allgemeinen zu entwickeln.
Für diese Schüler ist es wichtig, dass Sie ihnen am Ende einer Stunde noch einmal klar machen, was sie heute gelernt haben. Ohne diesen Schritt würden sie u. U. zu Hause auf die Frage: "Was habt ihr heute gelernt?" mit "Ich weiß nicht" oder "Nicht viel" antworten. Tatsächlich wurde aber in den Stunden sehr intensiv und effektiv von ihnen gearbeitet.

Kinder "auf der Schwelle" haben jedoch keine verlässlichen bzw. unangemessenen Überzeugungsstrategien: mit anderen Worten, sie wissen nicht "Was?" und "Wie?" sie etwas gelernt und verstanden haben.

Handlungsüberlegungen:
  • für "Kinder auf der Schwelle" :
    - Entwickeln Sie Möglichkeiten, wie Ihre Schüler erfahren können, dass sie etwas gelernt haben.
  • für Schüler, die sich überschätzen:
    - Geben Sie diesen Schülern eine Checkliste mit spezifischen Kriterien, von dem mit, was Lerninhalt war.
  • Finden Sie Rituale, die das Lernen und Gelernte feiern/ würdigen.

 

FragezeichenZum Überlegen:

1. Hausaufgaben sollen manchmal den Schülern die Möglichkeit bieten, sich selbst zu überzeugen, dass sie die Problemlösung/ Technik/ ... kennen und können. Wie sollten solche Hausaufgaben aufgebaut sein?

2. Am Ende eines Seminarblockes findet in der Regel eine Reflexionsrunde statt. Welchen Zusammenhang stellen Sie zu den Ausführungen auf der Seite her?

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c. Die oberen Hirnfunktionen (das Denkende Hirn)

HirnNach Jensen (1995; S. 32 ff.) ist das Hirn nicht besonders gut, Informationen in isolierten Bruchstücken aufzunehmen. Im Gegenteil, das Großhirn ist an Bedeutungen, an Sinn orientiert.
Aus dem Ozean der chaotischen wahrgenommenen Reize, löst es bedeutungsvolle Ganzheiten, wesentliche Strukturen heraus.

D.h., dass jedes Individuum eigene Modelle, Strukturen der Wirklichkeit konstruiert. Nur wenn diese Strukturen selbst als Metaphern, Modelle ,... ausgedrückt werden, können wir selbst beschreiben, dass etwas gelernt wurde.
Lernende besitzen 2 Handlungsmöglichkeiten: 1. Sie erwerben ganzheitliche Erfahrungen bzw. Wissensbestände , sie machen Erfahrungen oder sie erkennen 2. ein strukturierendes Muster. Fakten mögen zwar für den nächsten Test nützlich sein, aber die erworbenen - genauer selbst zu konstruierenden - Muster/ Strukturen erschließen den Bedeutungsgehalt.

Handlungsüberlegungen:
Was bedeutet dies fürs Lernen im Unterricht?:
  • Bevor ein neuer Gegenstand/ Sachverhalt, ... von Dir ausführlich eingeführt wird gib, den Schülern die Möglichkeit, sich zum Thema zu äußern und darüber zu reden. Eine Visualisierung von Zusammenhängen (Mind-Map, Clustering, ...) kann den gleichen Zweck erfüllen.
  • Visualisiere den Zusammenhang, damit bei Deiner Darstellung allen Schülern klar wird, wo die Zusammenhänge sind (--> advance organizer). Dies kann als Hilfe zur Speicherung dienen. ("Adresse ist bekannt")
  • Reduziere die Anzahl an kleinschrittigen Informationen.
  • Lasse die Schüler während der ganzen Einheit Bilder, Grafiken, storyboards, ... erstellen.
  • Lass sie zum Abschluss der Einheit ein "inneres Video", großes Bild der Sachverhalte, Skulpturen, Maschinen, ... erstellen. Achte darauf, dass dabei persönliche Bezüge vorhanden sind.

Weil das Lernen in der Großhirnrinde zu 99% unbewusst verläuft, lernen Deine Schüler meistens ohne es zu wissen. Deshalb wird am meisten von dem gelernt, was nicht in Deiner Planung steht. Zwischen Lernen und Lehren ist als eine ganz gewaltige Differenz. Deshalb spielt beim sogenannten "peripheren Lernen" ( Produkte, Karten an der Wand,...), Bilder, Musik, Geschichten, Metaphern, Bewegung, ... sowie die Körpersprache der Lehrkraft eine wesentliche Rolle.


Jedes Lernen schließt unseren Körper, unsere Gefühle, unsere Einstellunge und die Gesundheit ein.

 

Handlungsüberlegungen:

Es ist unmöglich alle Variablen, die beim Lernen eine Rolle spielen, wirklich zu kontrollieren. Genauso unmöglich ist es für die Schüler während der Unterrichtsstunde zu 100 % "on task" zu sein. Abschweifungen und "Abwesenheit" gehören in einem bestimmten Umfang mit zum Lernen.

  • Du kannst aber die Wahrnehmung für die Einflüsse, auf die Deine Schüler reagieren wahrnehmen und berücksichtigen.
  • Du kannst ein gutes Beispiel fürs Lernen, Lebensführung, und Stressmanagement sein.
  • Du kannst Dir und den Schülern Entspannungstechniken beibringen, für mehr Abwechslung im Unterricht (Bewegungsphasen) sorgen, durch Wissen über die Funktionsweisen des Hirns einzelne Schüler unterstützen, ...

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Schnitt durchs Gehirn

3. Hirn - gespalten

Die Spezialisierung der einzelnen Hirnhälften erfordert zwangsläufig einen abwechslungsreichen Unterricht d.h. soziale Interaktionen, Darbietungen, Aktivitäten, Medien, ... sollten in der Lage sein, beide Hirnhälften zu aktivieren. Nähere Anhaltspunkte finden Sie dazu auch 4Mat

Die von der Kinesiologie (es lassen sich verschiedene Schwerpunkte wie Brain-Gym und Three in One Concepts = One Brain für den schulischen Zweck unterscheiden) vorgeschlagenen Formen der Überkreuzbewegungen dienen neben der Integration der Gehirnhälften auch der allgemeinen Auflockerung.
Vielleicht probieren Sie einmal aus, ob sich die Ergebnisse in einem Test unterscheiden, wenn die Klasse vor dessen Beginn einmal 5 Minuten "Gehirnjogging" betreibt. Vermeiden Sie bei den Übungen jedoch "homolaterale Bewegungen" (Bei homolateralen Bewegungsformen werden Arme und Beine beider Körperhälften gleichsinnig bewegt.) Und übrigens, was spricht denn eigentlich dagegen, dass die Schüler selbstständig bestimmte Bewegungsformen in einer Stillarbeitsphase ausführen, wenn sie das echte Bedürfnis danach haben und sie dabei niemand stören.

Ob die weiterführenden "Übungen als System" im Unterricht durchgeführt werden können, ist neben einer gründlichen Kenntnis immer auch von der Zustimmung der Eltern abhängig.

 

 

Literaturhinweis:

Jensen, E. (1989): " Super Teaching - Master Strategies For Building Student Success" Turning Point Publishing
Jensen, E.
(1995): "Brain-Based Learning & Teaching" Turning Point Publishing
Kolb, B.; Whishaw;I.Q. (1993): "Neuropsychologie" Spektrum Verlag

Zur Kinesiologie:

u.a.:
Dennison P. & G.(1990):
"Brain Gym " VAK
Dennison P. & G.(1990): "Brain Gym - Lehrerhandbuch" VAK
Hannaford, C. ():"Bewegung - das Tor zum Lernen" (Erklärung der Hintergründe von Brain Gym)
Hannaford, C. ():"Mit Auge und Ohr, mit Hand und Fuß" VAK
Stokes, G (): "Ohne Stress kann lernen leicht sein" VAK
Stokes, G. / Whiteside, D. ()
: "One Brain" VAK

Bitte beachten Sie, dass die Kinesiologie im schulischen Bereich einer scharfen Kritik unterworfen wurde: Inhaltlich richtet sich die Kritik im Wesentlichen gegen die "esoterischen Grundlagen" ["Befreiung der Energie Chi" bzw. "Aufhebung der Blockaden im Energiefluss"], als chinesischem Kulturgut , die Anwendung des Akupunktursystems und die Anwendung des "Muskeltestes" als unwissenschaftlichem Verfahren. Formal richtig ist die Fragestellung, ob "therapeutische Verfahren und Diagnoseformen" Platz im Unterricht finden sollen.

Wer die entsprechende Literatur jedoch kritisch liest, kann viele Anregungen für die Gestaltung von Unterricht und den Einsatz verschiedener Bewegungsformen finden., denn Dogmatik ist nicht nur bei den "Außenseitern" zu finden.

 

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